Künstler:innen aus Kamerun arbeiten mit den lokalen Akteurinnen von Decolonize Cologne in Köln zusammen, um Spuren kolonialer Vergangenheit in der Kölner Südstadt performativ nachzuspüren. Die dekolonialen Stadtteilführungen von Decolonize Cologne verbinden sich mit ritueller Performance, heiligen Tänzen, Liedern der Freiheit, Räumen der Reinkarnation und Heilung. Diskurs verbindet sich mit Happening.
„Eine postkoloniale Perspektive bedeutet aufzuzeigen, dass Kolonialismus global gewirkt und damit auch nachhaltig die deutsche Gesellschaft und das hiesige Zusammenleben beeinflusst hat und nicht nur in der vermeintlichen Peripherie zu verorten ist. Es bedeutet aufzuzeigen, dass heutige weltweite Ungleichheiten, Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen historisch entstanden sind und sich über einen langen Zeitraum entwickelt haben. In unserem Alltag und Stadtbild finden wir viele dieser Spuren, die sichtbar und unsichtbar zugleich sind: Straßennamen, Denkmäler, Unternehmen oder Ausstellungen.“ Decolonize Cologne
In Dschang im Westen von Kamerun forschen der Choreograph, Performer und Tänzer Zora Snake und die Künstler:innen von Modaperf (Mouvements, Danses & Performances) Toutou Ditchou und Larissa Ebong zu kolonialen Spuren im öffentlichen Raum, um diese Spuren sichtbar zu machen. In Köln zeugt z.B. die nach einem Kolonialtäter benannte Gustav-Nachtigal-Straße im sog. Afrika-Viertel von kolonialer Vergangenheit.
Unter der Künstlerischen Leitung von Zora Snake und in Kooperation mit Decolonize Cologne und dem Rauten-strauch-Museum – Kulturen der Welt widmen sich die kamerunischen Künstler:innen in einer kollektiven Recherche nun der Spurensuche in Köln und machen sie für das Publikum erfahrbar. Unterschiedliche Perspekti-ven, Recherche- und Vermittlungsansätze treffen aufeinander und die Zusammenarbeit selbst wird zur dekolonialen Praxis, auch im Hinblick auf transkontinentale Vertrauensverhältnisse.
Zora Snake selbst wird bei der internationalen Biennale Modaperf in Kamerun vom 26.-30. November 2025 den kolonialen Spuren in Dschang unter dem Motto „Einheit fördern“ einen Hauptschwerpunkt widmen. Damit erinnert er an die Vergessenen der antikolonialen Kämpfe in Kamerun. Auch deutsche Akteur:innen plant er hierbei mit einzubeziehen.
Decolonize Cologne wurde 2018 in Köln von drei Historikerinnen gegründet. In kolonialkritischen Stadtteilführungen und Vorträgen sprechen aktuell etwa Merle Bode, Linda Jalloh und Azziza B. Malanda über die deutsche Kolonialvergangenheit und deren Kontinuitäten. Decolonize Cologne ist Gewinner des Kölner Kulturpreises 2021 in der Kategorie „Junge Initiativen 2021“.
Dabei nimmt Decolonize Cologne einen Perspektivwechsel vor und rückt in den Vordergrund, was in unseren Schulbüchern nicht vorkam, etwa: Geschichte(n) von antikolonialem Widerstand, Einfluss von Kolonialismus auf westliches Wissen, Sichtbarmachung von Frauen als Akteurinnen und Perspektiven Schwarzer und People of Color, die z.B. als Kolonialmigrant:innen nach Deutschland kamen: „Es geht nicht nur um gesellschaftliche Strukturen, die wirtschaftlich, politisch, kulturell wirken, sondern auch uns selbst: Welche Geschichten und Verbindungen haben wir zu Kolonialismus, mit welchen Bildern/Ideen sind wir aufgewachsen, welche Rollen haben unsere Familien gespielt? Wir positionieren uns selbst zur kolonialen Geschichte und ihren Spuren in der Gegenwart, denn auch wir repräsentieren (manchmal unbewusst) gesellschaftliche Machtstrukturen und sind davon geprägt: Das heißt in unserem Team sprechen wir aus rassismuskritischen Schwarzen deutschen sowie kritischen weißen deutschen Perspektiven. Wir sind Akademiker:innen und finden eine intersektional-feministische Analyse wichtig, die kritisch auf Geschlechter- und Klassenverhältnisse schaut.“ www.decolonize-cologne.de / @decolonizecologne
Zora Snake ist Choreograf, Performer, Tänzer, Gründer der Zora Snake Company und des internationalen Modaperf-Festivals in Kamerun. Er wurde im Westen Kameruns geboren und wuchs in den Großstädten Douala und Yaundé in der Nähe der Zivilgesellschaft auf, was den Beginn seiner Tanzkarriere markiert. Von Hip-Hop-Tänzen bis hin zu zeitgenössischen Kreationen hat Zora Snake bei zahlreichen Urban-Dance-Wettbewerben auf sich aufmerksam gemacht und wurde 2014 mit Germaine Acogny an die École des Sables eingeladen. Zora Snake verwandelt den öffentlichen Raum in eine Kunstschule, in der seine Arbeit als Schöpfer, Choreograf und Performer in seinem Land Kamerun in Afrika, Europa und der Welt Anklang findet und die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreitet. Sein künstlerisches Vokabular erstreckt sich auch über Theater, Museen, Galerien, Straßen- und Indoor-Festivals und knüpft Verbindungen zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Eine Möglichkeit, das Heilige im Menschen durch seine bemerkenswerten rituellen Darbietungen zu transformieren. Seine Arbeit, sowohl poetisch als auch politisch, wird genährt von der Verbindung zu den Vorfahren und den Kosmogonien des Widerstands, einem Erbe der heutigen Gemeinschaften für unsere zukünftigen Generationen. Er hat zahlreiche Preise gewonnen und mit renommierten Choreografen zusammengearbeitet, darunter Serge Aimé Coulibaly, Fabrice Murgia und Amanda Pina. Er wurde u.a. zum Sens Interdits-Festival, in die Cité Internationale des Arts, ins Palais de Tokyo, ins Humboldt Forum Berlin und ins Centre Pompidou Paris eingeladen. Er gibt Workshops in Afrika und Europa und ist Trainer bei Charleroi Danse in Brüssel. Seine Produktion Shadow Survivors wurde in Nancy uraufgeführt. Derzeit arbeitet er an seiner neuen Produktion Le Combat des Lianes am Théâtre National Wallonie-Bruxelles.
Toutou Ditchou | Toutou le conteur (Der Erzähler), geboren in Bangangté, ist ein kamerunischer Künstler, der während seines Studiums der mündlichen Literatur am Département d’Etudes Africaines bis zur Promotion bereits als Erzähler an der Universität Dschang tätig war. Gemeinsam mit Straßenkindern in Bafoussam und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Waisenhäusern hat er zahlreiche Performances für den öffentlichen Raum entwickelt, die Gesang, Tanz und Märchen verbinden. Toutou eröffnete die Internationale Biennale MODAPERF 2023 mit seiner neuesten Kreation Masquisard.
Larissa Ebong, geboren 2001 in Bertoua / Kamerun ist eine kompromisslose Tänzerin und Performerin, die seit ihren ersten offiziellen Auftritten die Landschaft der Performancekunst Kameruns erschüttert. Ebong ist auf den wichtigsten Bühnen in Kamerun und darüber hinaus aufgetreten, u.a. bei der Modaperf-Biennale, beim internationalen Festival de Performance KIN’ACT in Kanshasa, Demokratische Republik Kongo oder im Rahmen der Rencontres Internationales d’Art Contemporain in Brazzaville, Republik Kongo.
KÜNSTLERISCHE LEITUNG & PERFORMANCE Zora Snake | PERFORMER:INNEN Toutou Ditchou, Larissa Ebong | KONZEPT Stadtteilführung Decolonize Cologne | TECHNIK Sam Misse | PRODUKTION africologne & Compagnie Zora Snake | SUPPORT FASO DANSE THEATRE (Paris) | KOOPERATION Decolonize Cologne / Merle Bode, Linda Jalloh, Azziza B. Malanda; Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt Köln; Initiativkreis Erinnerungsort Afrika-Viertel Köln-Nippes